Zuchtwertschätzung

Die Zuchtwertschätzung wurde früher auch in Vollblutzucht angewandt. Folgend eine kleine Einführung und Beschreibung dieses Hilfsmittels und zusätzlich noch eine Umfrage zu diesem Thema.

Die Zuchtwertschätzung. Im Tierzuchtgesetz wird die Zuchtwertschätzung als ein statistisches Verfahren zur Ermittlung des erblichen Einflusses von Tieren auf die Leistungen ihrer Nachkommen unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit auf der Grundlage von Ergebnissen der Leistungsprüfungen, auch unter Berücksichtigung der Verwandtschaft definiert.

Eine der Grundformeln in der Tierzucht besagt, dass sich die Leistung eines Tieres aus der gemeinsamen Wirkung von Genetik und Umwelt erklären lässt. Bei der Zuchtwertschätzung wird mit Hilfe von komplexer mathematisch-statistischer Verfahren versucht, die genetischen Effekte von den Umwelteffekten zu trennen, um so einen möglichst genauen Schätzwert für den wahren Zuchtwert eines Pferdes zu erhalten. Dieses sehr aufwendige Schätzverfahren berücksichtigt neben den umweltbedingten Einflussfaktoren auch gleichzeitig die genetischen Parameter der einzelnen Merkmale sowie alle verwandtschaftlichen Beziehungen unter den Pferden.

Das Ziel der Zuchtwertschätzung ist es, erblich bedingte Leistungsunterschiede möglichst genau zu schätzen, um den Züchtern die benötigte Grundlage zur Selektionsentscheidung zu liefern und dadurch den gewünschten Zuchtfortschritt zu erreichen.

Ein zur Zuchtwertschätzung verwendetes statistisches Verfahren ist die Beste Lineare Erwartungstreue Vorhersage, kurz BLEV (englisch Best Linear Unbiased Prediction, kurz BLUP). Es ist mathematisch komplex und beinhaltet die Lösung von Gleichungssystemen mit Hunderten von Unbekannten.

Prinzipiell sieht das Vorgehen so aus, dass zur Bestimmung des Zuchtwerts eines Individuums betrachtet werden:

Der Phänotyp des Individuums

Der Phänotyp seiner Elterntiere

Der Phänotyp seiner Voll- und Halbgeschwister

Der Phänotyp seiner Nachkommen

Aus diesen Phänotypen kann mittels BLEV eine Zahl berechnet werden, die als Zuchtwert bezeichnet wird.

Rein rechnerisch entspricht nach der Theorie der Populationsgenetik der wahre Zuchtwert eines Tieres für ein bestimmtes Merkmal folgender Beziehung:

ZW = 2*(NKD – PD) mit

PD = Durchschnitt der jeweiligen Referenzpopulation (Populationsdurchschnitt),

NKD = Leistungsdurchschnitt der Nachkommen des Tieres,

ZW = zuchtwertbedingte Abweichung des Tieres von PD, wenn folgende (idealisierende) Annahmen zutreffen:

1. Die Anzahl der Nachkommen geht gegen unendlich,

2. Die Paarungspartner reflektieren genetisch die Referenzpopulation,

3. Die Umwelt, in der die Nachkommen ihre Leistung erbringen, muss im Durchschnitt jener der Referenzpopulation entsprechen.

Die Multiplikation der Abweichung (NKD – PD) mit 2 berücksichtigt die Tatsache, dass ein Tier die Erbanlagen seiner Nachkommen nur zur Hälfte bestimmt, während die andere Hälfte von den jeweiligen Paarungspartnern stammt. Betrachtet man diese mathematische Definition des Zuchtwertes, so wird klar, dass der wahre Zuchtwert eines Tieres grundsätzlich unbekannt bleibt, weil die für seine Bestimmung notwendigen Bedingungen in der Praxis nie zur Gänze erfüllbar sind.

Idealerweise berechnet sich der Zuchtwert aus den Phänotypen des Tieres und seiner Familie gemäß obiger Liste. Das verwendete Berechnungsverfahren erlaubt aber die Bestimmung eines Zuchtwerts auch dann, wenn keine vollständigen Informationen zum Phänotyp aller relevanten Individuen vorliegen. Im Extremfall ist es also auch möglich, einen Zuchtwert zu schätzen, ohne den Phänotyp des Tieres zu kennen, dessen Zuchtwert geschätzt wird.

Aus dieser Vorgehensweise wird auch deutlich, dass der Zuchtwert eines Individuums sich ändern kann, sobald neue Informationen zu Phänotypen bei ihm selbst und seiner Verwandtschaft verfügbar werden.

Zuchtwertschätzungen können auch dann angewandt werden, wenn der betrachtete Phänotyp einem komplexen Erbgang folgt und durch die Umwelt beeinflusst werden kann. Der Phänotyp sollte eine möglichst hohe Heritabilität aufweisen.

Ziel jeder Zuchtwertschätzung ist die Erstellung einer Rangierung der Tiere einer Population gemäß ihrem züchterischen Wert. Der genaue Wert des geschätzten Zuchtwertes ist oft nicht entscheidend, sondern viel mehr die Frage, zu den wieviel Prozent der besten Tiere in einer Population ein Tier zählt. Die Zuchtwertschätzung soll den Landwirten eine Hilfe bei der gezielten Auswahl der Paarungspartner sein.