Wirko und Alenquer – nächster Meilenstein Epsom Derby für die deutsche Zucht in Sicht

Der aus der Zucht des Gestüts Röttgen stammende dreijährige Kingman-Sohn Wirko kam am Dienstag in Epsom mit starkem Schlussakkord zu einem überzeugenden Listensieg im Blue Riband Trial und hat sich damit automatisch für das Epsom Derby (Gr.I) am ersten Samstag in Juni qualifiziert. Ein Sieg im Epsom Derby durch eine Pferd aus deutscher Zucht – dies wäre ein weiterer ganz großer Meilenstein für eine im Verhältnis gesehen so kleine, aber doch so feine Qualitätszucht, welche international bereits so großen Einfluss genommen hat.

Am Freitag stand das Sandown Classic Trial (Gr.III) ganz im Zeichen der deutschen Zucht. Es gewann der vom Gestüt Römerhof gezogene Adlerflug-Sohn Alenquer aus der Areion-Stute Wild Blossom als neher Verwandter zu Wirko vor dem Frankel-Sohn Adayar, dessen Mutter Anna Salai eine Dubawi-Tochter aus der Anna Palariva ist und somit die internationale Erfolgslinie der Röttgener Diana-Siegerin Anna Paola repräsentiert. Dritter wurde der Dubawi-Sohn Ybir als Sohn der von der Stiftung Gestüt Fährhof gezogenen Monsun-Stute Rumh, deren Mutter Royal Dubai eine Dashig Blade-Stute aus der Zucht des Gestüts Etzean darstellt.

Nachdem sich die deutsche Zucht in der Nachkriegszeit so langsam erholte, wurden auch wieder Hengste und Stuten importiert, man nahm vermehrt Anteil am internationalen Zucht- und Renngeschehen, die wachsende Globalisierung tat ihr übriges. Später wurden auch Stuten wieder exportiert und profilierten sich als Stammstuten in führenden internationalen Zuchten wie allen voran die Schlenderhanerinnen Sayonara und Schönbrunn, die Röttgener Diana-Siegerin Anna Paola, die Auenqueller Windwurf-Stute Grimpola und, natürlich, eine gewisse Lombard-Stute Allegretta, erneut aus dem Gestüt Schlenderhan. Es wurden auch immer häufiger deutsche Pferde im Ausland an den Start gebracht und das mit wachsendem Erfolg, auch in internationalen Gruppe- und Listenrennen, allen voran zu nennen natürlich der Sieg des in Heumar trainierten, Röttgener Hengstes Star Appeal im Prix de l’Arc de Triomphe von 1975.

In den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nahm die Internationalität der deutschen Zucht im internationalen Renngeschehen deutlich Fahrt auf. So war es auf oberstem Level 1981 der deutsche Triple Crown-Sieger Königsstuhl, der den Gran Premio del Jockey Club e Coppa d’Oro für sich entscheiden konnte. 1986 sorgten zwei Fährhofer Champions im Ausland für Furore. Der Derby-Sieger Acatenango triumphierte im Grand Prix de Saint-Cloud (Gr.I), während sein gleichaltriger Zuchtgefährte Lirung den Prix Jacques le Marois (Gr.I) für sich entscheiden konnte. Letzterer war im gleichen Jahr in dieser Gesellschaft noch jeweils Dritter im Prix du Moulin de Longchamp und im Prix d’Ispahan, während Acatenango ein Jahr später im Coronation Cup (Gr.I) den dritten Rang erreichte.

Acatenangos bester Sohn Lando gewann wie sein Vater sieben Gruppe I-Prüfungen, darunter zwei in Italien sowie mit grandioser Leistung 1995 auch den Japan Cup. Acatenango stellte auf höchster internationaler Ebene auch den Charles Whittingham Handicap-Sieger Sabiango, den zweimaligen Gran Premio di Milano-Gewinner Quijano und den französischen Derby-Sieger Blue Canari, während sein Erzeuger Surumu neben drei Deutschen Derby-Siegern mit Osorio auch einen Derby Italiano-Triumphator vorweisen kann.

Der deutsche Ausnahme-Vererber Monsun mit drei Gruppe I-Siegen verpasste selbst einen Gruppe-Erfolg im Ausland nur knapp, hat sich dafür als Deckhengst auf internationalem Level allerdings mehr als nur schadlos gehalten. An der Spitze seiner 22 Gruppe I-Sieger stehen der auf höchstem internationalen Level in den Prince of Wales’s Stakes, Prix Jacques le Marois und Prix d’Ispahan nicht zu schlagende World Champion Manduro, der in den King George VI & Queen Elizabeth Diamond Stakes, Grand Prix de Saint-Cloud und Premio del Jockey Club erfolgreiche Novellist, der Breeders’ Cup Turf- und Coronation Cup-Gewinner Shirocco sowie 15 weitere internationale Gruppe I-Sieger inklusive von drei Triumphatoren im Melbourne Cup. Monsuns gesamte, für deutsche Verhältnisse wirklich außergewöhnliche Vererberleistung brachte ihm bereits zu Lebzeiten einen Platz auf der Liste der Chef-de-Race-Vererber ein.

Dem Derby-Sieger Boreal gelang bereits 2002 der erste Sieg eines in Deutschland trainierten Pferdes im englischen Coronation Cup. Der Fährhofer Champion Lomitas stellte mit seiner besten Tochter Danedream 2011 die Siegerin im Prix de l’Arc de Triomphe, ein Jahr später gewann die Klassestute als erstes deutsches Pferd die King Geoge VI & Queen Elizabeth Stakes. Der Erfolg von Novellist in dieser Prüfung datiert aus dem Jahr 2013, also bereits im Folgejahr. Lomitas stellte insgesamt acht Gruppe I-Sieger, davon kamen neben Danedream fünf weitere auf internationalem Boden zu ihren Top-Erfolgen, allen voran der Arlington Million-Gewinner Silvano, der sich darüber hinaus später in Südafrika als mehrfacher Champion-Vererber profilierte.

1985 gab es mit dem überlegen erfolgreichen Slip Anchor als Sohn der bereits erwähnten Birkhahn-Stute Sayonara bereits einen Epsom Derby-Sieger aus einer deutschen Mutterlinie. Aus dem Gestüt Schlenderhan stammt auch die Lombard-Stute Allegretta, die aus der internationalen Vollblutzucht heute gar nicht mehr wegzudenken ist.

Durch sie wurde 2001 zu einem ganz besonderen Jahr für die deutsche Vollblutzucht, als der heutige Weltklasse-Vererber Galileo das Epsom Derby, Irish Derby und die King George VI & Queen Elizabeth Stakes gewann, während seine nahen Verwandten Anabaa Blue und Anzillero im gleichen Jahr das französische Derby bzw. den Deutschland-Preis auf höchster Ebene für sich entscheiden konnten. Über ihre selbst im Prix de l’Arc de Triomphe erfolgreiche Tochter Urban Sea als Mutter von Galileo, deren als Gruppe III-Siegerin profilierte Riverman-Halbschwester Allez Les Trois (Anabaa Blue) und Anzilleros Mutter Anzille war Allegretta die zweite Mutter in allen drei Pedigrees.

Dieses Jahr markierte sozusagen den Anfang einer unglaublichen Erfolgsgeschichte, zu deren jüngsten Aushängeschildern natürlich der 2009 in Epsom Derby, Irish Derby und Prix de l’Arc de Triomphe nicht zu schlagende Champion-Vererber Sea The Stars, der 2018 ebenfalls im Epsom Derby erfolgreiche Masar und der vorjährige Irish Derby-Gewinner Santiago zählen.

Ein ganz besonderes Powerpaket deutscher Blutlinien ist der aus der Zucht des Gestüts Ammerland und Dr. Andreas Jacobs Newsells Park Stud unter dem offiziellen Namen The Waldlerche Partnership gezogene Champion und Arc-Sieger Waldgeist. Sein Vater ist Galileo und seine Mutter eine Monsun-Stute aus der Linie der Ravensberger Stammstute Waldrun. Waldgeist vereint somit drei Erfolgslinien deutschen Blutes in seinem Pedigree und hat als Deckhengst in diesem Jahr seine ersten Fohlen.

In Anbetracht all dieser Top-Erfolge für Pferde aus deutscher Zucht und/oder mit deutschem Blutanteil scheint es doch nur eine Frage der Zeit zu sein bis auch der Sieg im Epsom Derby für einen deutschen Züchter „geknackt“ werden kann, vielleicht ist es ja dank Wirko schon in diesem Jahr soweit – that would be very nice.