Ausnahmepferde im Rennsport kann man getrost als wahren Segen bezeichnen. Sie sind ein Publikumsmagnet, sie ziehen die Besucher an. Viele Besucher kommen nur um dieses besondere Pferd zu erleben, das Pferd von dem alles spricht und geschrieben steht. Besonders in schwierigen Zeiten sorgen sie für schöne Momente und zwar für den Besucher und den Veranstalter in gleichem Maße.
Beispiele dafür gibt es weltweit viele. Als eines der ersten Ausnahmepferde muss sicher der erstklassige Eclipse bezeichnet werden, der später auch als Deckhengst bleibenden Einfluss nahm. In den Anfängen des Rennsports in England sorgte er dafür, dass ein breiteres Publikum sich für den Vollblutrennsport interessierte. Der für seine Zeit mächtige Fuchshengst gewann mit großem Speed und war dabei das Sinnbild für Kraft und Eleganz. Sein Skelett ist noch heute im Horse Racing Museum in Newmarket zu sehen. Ein gutes Beispiel ist auch Lord Derbys Epsom Derby-Sieger, Champion und Top-Vererber Hyperion, der zwar sehr klein war, aber gerade deshalb die Menschen mit seinen Leistungen so faszinierte. Der Fuchshengst besaß sehr viel Charisma und begeisterte das Rennpublikum mit seinem Kampfgeist.
Der englische Triple Crown-Sieger Nijinsky war in der Physis das ganze Gegenteil, er war ein großrahmiger, starker brauner Hengst mit viel Ausstrahlung, der zweijährig in Irland ungeschlagen blieb. Dreijährig sicherte er sich zunächst die English 2000 Guineas und das Epsom Derby um dann in den King George VI & Queen Elizabeth Diamond Stakes auch gegen die älteren Pferde zu bestehen. Nach seinem Triumph im English St. Leger und dem Gewinn der Triple Crown kam im Prix de l’Arc de Triomphe die erste Niederlage, welche die Menschen zu Tränen rührte. Nijinsky war auch das erste Pferd in Europa, das regelmäßig Fanpost erhielt.
In den USA besaßen Man O’War und Secretariat solchen Wunderpferd-Charakter. Der 1917 gefohlte Fuchshengst Man O’War war ein kapitaler Bursche. Er wurde nur einmal in seinem Leben geschlagen, und das von einem Pferd mit dem passenden Namen Upset. Der in 21 Rennen zumeist überlegene Man O’War wurde von der Fachpresse zum besten amerikanischen Rennpferd aller Zeiten gewählt. Die Menschen strömten in Massen auf die Rennbahn, wenn er lief und kamen ebenso in Scharen auf die Faraway Farm wo er als Deckhengst aufgestellt wurde. Sein Pfleger Will Harbut blieb sein ganzes Leben bei dem Hengst und sagte nach seinem Tod unter Tränen: „He was the mostest hoss“. Als Man O’War 1947 starb wurde seine Beerdigung in ganz Amerika im Radio übertragen.
Auf Platz zwei in den USA steht der 1973 als amerikanischer Triple Crown-Sieger gefeierte Secretariat, der mit Man O’War die Farbe und die Physis gemein hatte. Ein gewaltiger Fuchshengst mit vier weißen Beinen. Er bewahrte seine Besitzerin Helen „Penny“ Chenery vor dem totalen Bankrott. Seine 36 Längen Vorsprung in den Belmont Stakes wo sich Jockey Ron Turcotte in der Zielgeraden ungläubig umsieht sind bei den Augenzeugen unvergessen. Nach diesem Rennen schaffte es Secretariat sogar auf die Titelseite der Magazine Time, Newsweek und Sports Ilustrated. Auch er erhielt tonnenweise Fanpost.
In diese Kategorie der unvergessenen Ausnahmepferde passt ebenfalls der neuseeländische Star-Galopper Phar Lap, der übrigens wie Man O’War und Secretariat ein gewaltiger Fuchshengst war. Er hatte irgendwann in Australien und Neuseeland keine Gegner mehr. Er kam auch in den USA bzw. Mexiko siegreich an den Ablauf. Sein gewaltsamer und qualvoller Tod durch Vergiftung spaltete die Menschen, seine Anhänger sahen darin einen geglückten Mordanschlag.
Waren Man O’War, Secretariat und Phar Lap generell beeindruckende Erscheinungen, so kann auch das genaue Gegenteil dies auslösen. Das vielleicht beste Beispiel dafür ist der kleine braune Hengst Seabiscuit, der in den ersten 17 Rennen seines Lebens den Zielrichter nicht belästigte. Seabiscuit kam allein zweijährig 35 Mal an den Start. Insgesamt absolvierte Seabiscuit 89 Starts und kehrte 33 Mal als Sieger zur Waage zurück. Seabiscuit triumphierte in 25 Stakes-Rennen und war Ende 1940 das erste Pferd, das mehr 400.000 Dollar Gewinnsumme vorweisen konnte. Der Wallach John Henry hatte weder eine besondere Abstammung noch war er besonders schön, als Jährling kostete er mal gerade 900 Dollar. Er war schwierig und temperamentvoll, aber nach der Kastration wurde es besser und John Henry entwickelte sich zum Seriensieger und stand lange mit über sechs Millionen Dollar Gewinnsumme an der Spitze der gewinnreichsten Galopper in den USA. Die Liste ließe sich nun so oder so weltweit beliebig fortsetzen, aber das würde hier den Rahmen sprengen.
In Deutschland gab es ebenfalls Pferde, welche die Menschen in ihren Bann zogen. So z.B. die ungarische Wunderstute Kinscem, die bei 54 Siegen dreimal den Grossen Preis von Baden gewann. Um sie ranken sich heute Legenden, darunter die, dass sie nur Wasser aus ihrer Heimat trank. Als dieses einmal nicht zu beschaffen war, drohte die Stute zu verdursten, aber es wurde die heute nach ihr benannte Quelle gefunden deren Wasser sie akzeptierte. Sie soll auch vor dem Start ihren Jockey regelmäßig zur Verzweiflung gebracht haben, weil sie Gänseblümchen pflückte. Auch Pferde wie der grandiose Oleander oder das Galoppierwunder Schwarzgold zogen die Massen in ihren Bann, Ende der sechziger Jahre war auch Lombard ein Pferd, das für volle Kassen sorgte.
Während im Ausland der Galopprennsport in der Presse und der Allgemeinheit eine weit größere Akzeptanz besitzt, ist es hierzulande ungleich schwerer. Das letzte deutsche Spitzenrennpferd, welches wirklich fast jedem Kind auf der Straße bekannt war, war der Fährhofer Champion Acatenango. Seitdem hat es weiterhin viele tolle Pferde in Deutschland gegeben, vor allem auch dank der so stark gesteigerten deutschen Zucht auch weltweit mit Arc-Siegern wie Danedream, Torquator Tasso oder Waldgeist, einem „World Champion“ Manduro, dem Japan Cup-Gewinner Lando, dem weltweiten Ausnahme-Vererber Galileo und dem anch deutschen Maßstäben als Ausnahme-Vererber zu bezeichnenden Monsun an der Spitze. Pferde wie diese können hier eine Bresche zu schlagen und die Massen auf die Bahn zu ziehen, denn wer ein solches Pferd in Aktion erlebt, wird von dieser ganz besonderen Atmosphäre mit Sicherheit in den Bann gezogen.